Dienstag, 12. März 2013

Aus Dem Tagebuch von Eurydike:

Ich blieb stehen. Einfach so. Bodenlos. Fassungslos. Er ging. Ich sah ihm nach, wie er sich seinen eigenen Weg spurte. Ohne sich umzudrehen. Lange sah ich ihm nach. Ich trug schwer an meiner Last. Ich trug schwer an seiner Last. So schritt ich auf Zehenspitzen Fußstapfen um Fußstapfen unseren Weg zurück. Vor mir her trug ich vorsichtig auf ausgestreckten Armen unsere Verzweiflung, unsere Sehnsucht, unsere Wünsche. Es war ein schwerer Gang, der Gang zurück. Ich wollte nichts zerstören, an nichts kratzen, durfte nicht straucheln. Irgendwann wusste ich, ich würde es nicht schaffen, wenn ich seine Last wie meine trug. Aber sie war doch das einzige, was mir von ihm geblieben war? Bevor er gegangen war, waren wir verbunden durch das Band der Liebe, nun durch das Band der Verzweiflung. Doch davon musste ich mich befreien, um zu überleben. Unter Tränen verabschiedete ich mich von seiner Verzweiflung und ließ sie in den Himmel steigen. Lange schaute ich ihr nach. Mein Gesicht schmerzvoll in den Himmel gereckt. Dann ging ich weiter.
Nun, da ich nur noch die halbe Last trug, fiel es leichter. Plötzlich spürte ich wieder den Boden unter meinen Füßen. Ich wagte es immer häufiger aus unseren Spuren herauszutreten, neben ihnen weiterzugehen. Ohne Ziel spurte ich mir meinen Weg. Ich wusste, ich musste zum Anfang von allem zurück, hatte ich doch vergessen, was dort gewesen war.
Ich konzentrierte mich auf jeden Schritt und erwartete das Richtige. Irgendwann stand ich am Fuße eines Berges. Meines Berges. Es war Nacht. Ich verließ unsere Spuren und stieg hinauf auf den höchsten Punkt des Berges, stellte mich gen Süden und ließ die gesamte Kraft der Erde durch mich fließen. Dann verfluchte ich ihn mit all der Kraft, die mir gegeben war. Befriedigt stieg ich hinab und spurte mir meinen eigenen Weg. 

Von Petra Schmitmeier

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