Aus Dem Tagebuch von Eurydike:
Ich blieb stehen. Einfach so. Bodenlos.
Fassungslos. Er ging. Ich sah ihm nach, wie er sich seinen eigenen
Weg spurte. Ohne sich umzudrehen. Lange sah ich ihm nach. Ich trug
schwer an meiner Last. Ich trug schwer an seiner Last. So schritt ich
auf Zehenspitzen Fußstapfen um Fußstapfen unseren Weg zurück. Vor
mir her trug ich vorsichtig auf ausgestreckten Armen unsere
Verzweiflung, unsere Sehnsucht, unsere Wünsche. Es war ein schwerer
Gang, der Gang zurück. Ich wollte nichts zerstören, an nichts
kratzen, durfte nicht straucheln. Irgendwann wusste ich, ich würde
es nicht schaffen, wenn ich seine Last wie meine trug. Aber sie war
doch das einzige, was mir von ihm geblieben war? Bevor er gegangen
war, waren wir verbunden durch das Band der Liebe, nun durch das Band
der Verzweiflung. Doch davon musste ich mich befreien, um zu
überleben. Unter Tränen verabschiedete ich mich von seiner
Verzweiflung und ließ sie in den Himmel steigen. Lange schaute ich
ihr nach. Mein Gesicht schmerzvoll in den Himmel gereckt. Dann ging
ich weiter.
Nun, da ich nur noch die halbe Last
trug, fiel es leichter. Plötzlich spürte ich wieder den Boden unter
meinen Füßen. Ich wagte es immer häufiger aus unseren Spuren
herauszutreten, neben ihnen weiterzugehen. Ohne Ziel spurte ich mir
meinen Weg. Ich wusste, ich musste zum Anfang von allem zurück,
hatte ich doch vergessen, was dort gewesen war.
Ich konzentrierte mich auf jeden
Schritt und erwartete das Richtige. Irgendwann stand ich am Fuße
eines Berges. Meines Berges. Es war Nacht. Ich verließ unsere Spuren
und stieg hinauf auf den höchsten Punkt des Berges, stellte mich gen
Süden und ließ die gesamte Kraft der Erde durch mich fließen. Dann
verfluchte ich ihn mit all der Kraft, die mir gegeben war. Befriedigt
stieg ich hinab und spurte mir meinen eigenen Weg.
Von Petra Schmitmeier
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