Montag, 15. April 2013

Orpheus - nachgefragt


Leon: Wolfgang, du als Regisseur dieser Produktion - wie bist du auf die Idee gekommen, auf der Grundlage des Orpheusmythos ein Theaterstück zu machen?

Wolfgang: Also der Vorschlag kam von Peter. Ich hab früher schon Mythen bearbeitet, Medea oder Gilgamesch, und verschiedenste Stoffe aus der Antike haben mich immer schon interessiert, Orpheus finde ich insofern interessant, als das es vom Scheitern handelt, weil sich im Grunde genommen die große Liebe nicht einlöst. Wie der Mythos ja erzählt, darf Orpheus Eurydike, nachdem sie verstorben ist, aus dem Hades wieder mit ins Leben nehmen, aber mit der Einschränkung, er dürfe sich auf dem Weg nach oben nicht umdrehen. Das tut er, und dieser Aspekt hat mich immer sehr fasziniert und interessiert, ich unterstelle dem Orpheus da ja eine willentliche Entscheidung, das heißt er hat es bewusst gemacht, um das Scheitern seiner großen Liebe nicht erleben zu müssen und als Musiker, der von diesem Liebesverlust getragen wird, in der Lage ist, richtig tolle Musik zu machen.

Leon: Zum wievielten mal arbeitest du mit einem Choreographen zusammen?

Wolfgang: Das hat es schon immer gegeben, früh in den 90er unter anderem mit der japanischen Tänzerin Sumako Koseki und mit der holländischen Tänzerin Zwaantje de Vries, die für Commedia Futura an Crossover-Projekten gearbeitet haben. Aber mit Felix Landerer ist es das dritte gemeinsame Projekt.

Leon: Was gefällt dir als Regisseur am meisten an der Zusammenarbeit von Tänzern und Schauspielern? Was macht den Reiz aus?

Wolfgang: Für mich besteht der Reiz darin, dass die Tänzer bereit sind viel abstrakter und ohne große Bedingungen die verschiedensten Momente einer Situation zu durchlaufen. Ihre hohe körperliche Präzision reizt mich sehr, und dementsprechend schön, ist der Bewegungsduktus der Spieler, die ein ganz anderes Körperrepertoire haben. Vieles, was der Körper des Tänzers ausdrücken kann, macht der Schauspieler über Sprache, und ich finde das führt zu einer sehr schönen Reibung und ergänzt sich sehr gut. Der tanzende Schauspieler ist genau so gefragt wie der sprechende Tänzer.

Leon: Also möchtest du, dass man die Kontraste zwischen körperlichen Ausdruck und Sprache erfahren kann?

Wolfgang: Einerseits ja, aber ich finde es auch sehr interessant, dass in einem Raum beide Formen gleichwertig sind, obwohl sie verschiedene Qualitäten haben. Ich finde es wichtig, dass der Tänzer schauspielerische Tätigkeiten übernimmt und der Schauspieler tänzerische Tätigkeiten übernimmt. Ich trenne das gar nicht so sehr und die eine Szene, die wir momentan bearbeiten, ist ja auch eine Melange, damit jeder seine Qualitäten einbringen kann.

Leon: Was nimmst du persönlich aus dem Mythos für dich mit?

Wolfgang: Natürlich hinterfrage ich meine eigene Beziehung und mein Leben, messe das was ich erlebt habe, an dem Mythos und schaue, was es für Orpheus-Momente in meinem Leben gegeben hat. Wo habe ich zurückgeblickt und die Beziehung verloren, wo war ich vorausschauend genug. Ich denke, dass Liebe, Tod und Beziehung in jedem Theaterstück integriert und thematisiert werden und mein bescheiden-subjektives Leben misst sich natürlich an diesen großen Mythos.

Leon: Wie würdest du die Rolle der Eurydike beschreiben, die im Mythos eher eine Nebenrolle hat?

Wolfgang: Ich würde sagen, dass sie gleichgestellt ist mit Orpheus, denn es ist eine Paarbeziehung und dazu gehören immer zwei Personen, die Geliebte und der Geliebte. Es ist wichtig, dass sich beide auf Augenhöhe begegnen und deswegen ist Eurydike in meinen Augen eminent wichtig. Wie wäre es geworden, wenn es Orpheus gelungen wäre, sie an die Oberfläche, in das Leben zu tragen? Wäre er mit seiner großen Liebe durchgekommen oder wäre er gescheitert. Wie hätte sich das vertragen mit dem Anspruch Künstler zu sein? Also das Thema Alltagsbewältigung ist für Beziehungen ein ganz großes Thema - wie weit trägt dann die Liebe? Eurydike spielt dabei nie eine Nebenrolle, sondern hat die Möglichkeit, alle ihre Facetten auszuspielen. Ihren Zorn, Liebe, Frust, ihr Glücklichsein und ihr Scheitern, alles ist da möglich.

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